Lokale Heilige zur Identitätsstiftung

​​Die Gründung der Bischofssitze mit ihren Kathedralen folgte weniger der spezifischen Sakralität des jeweiligen Ortes, auch wenn es in den weltlichen Machtzentren stets Sakralräume gab. Zunächst stark an die weltliche Macht gebunden, hatte die Einführung einer kirchlichen Verwaltungsstruktur zur Folge, dass diese ihr eigenes Gewicht entwickelte, denn trotz aller Eigenständigkeit der mittelalterlichen Ortskirchen (Diözesen) blieben sie stets auf den vorgesetzten Erzbischof und letztlich auf den Oberhirten in Rom bezogen. Der Ausbau der Kathedralen zu den zentralen liturgischen Orten der Diözesen zeigt dieses Anwachsen der Bedeutung der geistlichen Sphäre. Allerdings können wir in der Frühzeit meist nur etwas über die Grundform und Größe der Bauten sagen, wenig über ihre Ausgestaltung im Einzelnen und fast gar nichts über die Ausstattung romanischer Kathedralen in Zentraleuropa.

In den neu missionierten Gebieten wurde in den liturgischen Zentren damit begonnen, einheimische Persönlichkeiten als Heilige zu verehren, um die Identifizierung der Bekehrten mit dem neuen Glauben zu vereinfachen und die universelle Kirche in der jeweiligen regionalen Kultlandschaft zu verankern. Im Falle Prags wurde ein ermordeter böhmischer Herzog, der hl. Wenzel († 929 oder 935), im Veitsdom und seine Großmutter, die hl. Ludmilla († 921), in der benachbarten Klosterkirche St. Georg verehrt. Die Heiligenverehrung wurde in festen liturgischen Formen zunächst an der Grabstätte des/der jeweiligen Heiligen (locus sanctum) vollzogen. Doch wandelte sie sich auch, da spätere Generationen – gerade auch der weltlichen Herrschaft – sich diese Traditionen zunutze machten, sie umdeuteten und ihren politischen Bedürfnissen anpassten, was nicht zuletzt durch immer neue Werke der Kunst geschah. Eine Reihe weiterer Heilige wurde im Laufe des Mittelalters als böhmische Landespatrone verehrt. Unter ihnen der hl. Vitus (Patron der Domkirche) und der zweite Prager Bischof Adalbert.