Lokale Heiligenverehrung

Das Verhältnis der Nachbarbistümer Meißen und Prag blieb über größere Zeiträume hinweg ohne allzu große „Interaktion“. Was die Heiligen betrifft, so verehrte man jeweils eigene, schon um eine lokale ortskirchliche Identität zu entwickeln. An erster Stelle standen zunächst die Kathedral-Patrone – in Prag der Hl. Veit (Vitus), zu dem sich dann die Muttergottes und die Landespatrone Wenzel und Adalbert gesellten; in Meißen die Hl. Johannes der Evangelist und Donatus von Arezzo. Allerdings waren Heilige wie Johannes der Evangelist als Apostel und biblischer Autor von allerhöchster, kirchenumspannender Autorität als Bistumspatron zur „Profilierung“ wenig geeignet. Donatus war zum Titelheiligen des Meißener Domes geworden, weil Kaiser Otto I., Gründer des Erzbistums Magdeburg und der bekannten weiteren Bistümer des späteren Sachsen, am Tage dieses Heiligen, dem 7. August 936 in Aachen gekrönt worden war. Aber seine Verehrung scheint von geringer Bedeutung gewesen zu sein. Wenn einzelne Kirchen in der Diözese, wie diejenige in Freiberg diesem Heiligen geweiht wurden, dann deutete dies vielmehr auf die Zugehörigkeit zur Diözese, da man Reliquien aus Meißen erhalten konnte.

Adalbertskult in Prag

Darüber hinaus war es jedoch rühmlich, einen Heiligen aus der Reihe der eigenen Amtsbrüder vorweisen zu können. In Prag ist dies der Heilige Adalbert (Vojtěch, polnisch Wojciech; * um 956, † 23. 4. 997, heiliggesprochen 999), der seit 982 als zweiter Bischof von Prag amtierte, zugleich aber immer wieder als Missionar zu noch nicht christianisierten Völkern zog, was ihm bei einem Aufenthalt bei den Prußen das Leben kostete (Regesten 15, 17-19, 21, 23-25, 27). Seine Heiligsprechung erfolgte auf dem Fuße – und entfachte einen brennenden Disput um seine Reliquien. König Bolesław Chrobry von Polen ließ den Leichnam in Gnesen begraben, kurz bevor dort das Erzbistum errichtet wurde. Kaiser Otto III. brachte Reliquien nach Aachen, wo er ein Adalbert-Stift gründete. Herzog Břetislav I. von Böhmen (reg. 1035–55) entführte 1039 bei einem Kriegszug durch Polen den Leichnam Adalberts nach Prag, das er auf diese Weise wohl zum Erzbistum erhöhen wollte (Regesten 36-37).

Verehrung des Hl. Benno von Meißen

In Meißen fehlte ein solcher Bischof mit heiligmäßiger Vita noch länger, und erst bei Beginn des Domneubaus um 1270 wurden die Gebeine Bischof Bennos (amt. 1066–1106) erhoben. Im Investiturstreit unter Kaiser Heinrich IV. (reg. 1056/84–1105) hatte er eher auf Seiten des Papstes (und der Gegenkönige) gestanden, suchte aber schon um seines Amtes Willen den Ausgleich und unterstützte Heinrichs IV. Bestrebungen um einen Landfrieden nach dessen Kaiserkrönung 1084. Dies scheint aber nur entfernt der Grund für seine spätere Verehrung als Heiliger gewesen zu sein. Vielmehr fügte man Wunder in seine Vita ein, um diese überzeugender zu gestalten. Eine erste Phase größerer Verehrung ist im 14. Jahrhundert festzustellen. Sein Hochgrab mit dem zugehörigen Altar stammte aus dieser Zeit. Erst im Vorfeld der Reformation wurde der Kult des Hl. Benno nochmals so vehement vorangetrieben, dass die Heiligsprechung mitten in der Reformation 1524 erfolgte. Dies wiederum rief bekanntlich die Wittenberger Kritik an der Heiligenverehrung in besonderem Maße hervor – und führte zu deren Ende in Meißen.