Prag und Meißen: Austausch und Transfer
Prager Amtsträger aus fremden Regionen
Besonders in der frühen Zeit der beiden Bistümer – also im 10. und frühen 11. Jahrhundert – ist eine Einflussnahme auf das Prager Bistum aus Richtung Meißen erkennbar. So ist bei Thietmar von Merseburg von der Anwesenheit des Meißner Bischofs Volkold in Prag die Rede mit den Worten: „Später erwarb er [Volkold] sogar Boleslaws enge Freundschaft; als er in Prag das Letzte Mahl des Herrn gefeiert hatte und am folgenden Karfreitag das Gedächtnis des göttlichen Leidens beging, mußte man ihn, vom Schlage getroffen, hinwegtragen; seitdem war er trotz zeitweiser Besserung bis an sein Lebensende krank.“ Ob dies jedoch als Vertretung Bischof Adalberts während dessen Abwesenheit aus Prag interpretiert werden sollte (wie in der Literatur bisweilen geschehen), muss dahin gestellt bleiben. Von Markgraf Ekkehard I. erfahren wir allerdings, dass er mehrmals erfolgreich Einfluss auf die Besetzung des Prager Bischofsstuhls genommen habe.
In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in der Zeit der Königin Judith von Thüringen (* um 1130/35–nach 1174), der Gemahlin Vladislavs II., gab es Prager Bischöfe, die aus Thüringen kamen (Gotpold 1168–69; Friedrich, Sohn des Pfalzgrafen Friedrich IV. von Sachsen, 1169–1179; Valentin, 1180–1182), jedoch keinen, der mit der Mark oder dem Bistum Meißen in Verbindung stand. Die Stellung der Prager Bischöfe war entweder durch ihre Herkunft aus Böhmen selbst und somit ihr jeweiliges Verhältnis zu den Fürsten geprägt oder durch ihre Beziehung zum Römischen Kaiser, der einige ihre besondere Stellung verdankten.
Zwischen Meißen und Böhmen gab es wenig dynastische Verbindungen. Daher bestanden auch wenige Beziehungen im Bereich der hohen Geistlichkeit, da diese eng mit der jeweiligen Herrscherfamilie verbunden war. Interessant wird es immer dort, wo übergeordnete Interessen ins Spiel kommen, wo also durch Besetzungen der Bischofsstühle dynastisch-politisch Einfluss genommen werden oder gar am Status quo, z. B. der Zuordnung zur Kirchenprovinz, etwas geändert werden sollte.
Eine herausragende Rolle unter den Prager Bischöfen spielte im Hinblick auf die politischen Kontakte nach Meißen nur Heinrich Břetislav III. (reg. 1182–97), da der Bischof seit 1193 auch böhmischer Herzog war. Im Auftrag Kaiser Heinrichs VI. führte Břetislav einen Feldzug gegen den Markgrafen Albrecht I. von Meißen (* 1158, reg. 1190–95) , der in einen erbitterten Kampf gegen seinen vom Vater bevorzugten Bruder Dietrich verstrickt war. Dies blieb jedoch eine Episode, die schon vor dem 1195 erfolgten Tod des geschlagenen Albrecht endete. Allerdings waren die im Meißnischen angerichteten Schäden enorm – und zumindest die bischöfliche Hälfte des geistlich-weltlichen Herrschers empfand Reue, die sie auf einer Synode tränenreich bekundete. Zu einer versprochenen Teilnahme an Heinrichs VI. Kreuzzug kam es letztlich nicht mehr.
Böhmische Einflüsse auf die Besetzung des Meißner Bischofsstuhls
Der einzige gebürtige Böhme, der im Mittelalter auf dem Meißner Bischofsthron Platz nehmen konnte, war Johannes von Jenstein. Er stammte aus dem böhmischen Herrengeschlecht der Familie von Wlašim, hatte in Prag, Padua, Bologna, Montpellier und Paris studiert und wurde 1376 zum Bischof von Meißen ernannt (Regest 167). Damit war er einer derjenigen Meißner Bischöfe, die ihre Ernennung der Nähe zu den böhmischen Königen aus der Dynastie der Luxemburger verdankten. Im Fall Johanns von Jenstein war dies Kaiser Karl IV., der zwei Jahre später ebenfalls dafür sorgte, dass Johann auf den Prager Erzbischofsstuhl wechselte (Regesten 169-170). Auch nach diesem Wechsel nahm er Anteil an den Meißner Verhältnissen: Er stiftete im Jahr 1380 einen Altar im Meißner Dom zu Ehren des hl. Wenzel (Regest 172). Jenstein diente sowohl Kaiser Karl IV. als auch dessen Sohn König Wenzel IV. bis 1384 als Kanzler und war damit eines der einflussreichsten Mitglieder ihrer Höfe. Auch seine Nachfolger Johann von Kittlitz (vor seiner Erhebung zum Meißner Bischof Kanzler des jüngsten Sohnes Karls IV., Herzog Johanns von Görlitz) und Thimo von Colditz (Neffe Johanns von Kittlitz und Mitglied des Rates von Wenzel IV.) verdankten ihren Platz auf dem Meißner Bischofsstuhl dem Luxemburger Wenzel IV.